Die Inflation der Achtsamkeit und der Wert der Zurückhaltung

Als ich mit 2008 durch viele Ausbildungen, eigene und nicht ganz einfache, mich oft fordernde Praxis mit dem Thema Achtsamkeit auseinandersetzte, überzeugte mich meine gewonnene Selbsterkenntnis und Veränderung in mir und an mir selbst, so dass es ein integraler Bestandteil meines Weges wurde und stets sein wird. Meine feste Überzeugung waren die Worte s. H. des Dalai Lama, reine Liebe, ist die Essenz von allem…

Somit wurden für mich Achtsamkeit und Mitgefühl untrennbare Geschwister. Ich habe viele Ausbildungsprogramme betrachtet, die allein (und oft sehr kostenintensiv) die reine Achtsamkeit in theoretischer Form zelebrierten. Das war nicht mein Weg. Für mich war vieles davon: gute, wunderbare auch bewundernswerte Geschäftsmodelle mit klangvollen Namen oder Abkürzungen die vermuten lassen, dass es hochwissenschaftlich zugeht. Und das kann, besonders in Ländern der DACH-Region oft schon ausreichen, um ein Qualitätssiegel auszudrücken. Es macht auch mehr her, wenn der Aspirant im ewigen Wettkampf sagen kann: Herr oder Frau Magister, Doktor oder gar Professor haben einen Achtsamkeitskurs abgehalten. Letztlich liegt dem oft die Abhängigkeit zum Erfolg und Geld zugrunde.

Geld mit Kursen, Seminaren und Vorträgen zu verdienen ist richtig, da wie eine gute Freundin von mir zu sagen pflegt „der kosmische Ausgleich zur Wertschätzung“ gegeben sein sollte. Die Frage ist nur wann verlässt es einen vertretbaren Rahmen? Wann wird es zum Mittelpunkt?

Das der unscheinbare Mönch in seiner Region, oder ein jahrelang praktizierender Yogalehrer, welcher auf vieles verzichtet, um sich treu zu bleiben und um wirklich zu wachsen, vielleicht mehr vermitteln könnte, ist in unserer Gesellschaft mit all den Zertifikaten, Titeln und Urkunden schwer vorstellbar geworden.

Ich erinnere mich an Zeiten, wo ich aus tiefster Überzeugung Gutes zu tun, mit den Worten abgefertigt wurde: “ … lassen sie uns bitte mit der Esoterik in Ruhe..“ Achtsamkeit und Mitgefühl war 2010 für das Geschäftsleben Esoterik.

Heute ist es zu einem Trend geworden, der sich in unzähligen Büchern, Formaten und Podcast auf die Witzigkeit zu bewegt. Weil es eine Schwemme von kommerzieller Wissensvermittlung gab und gibt. Heute las ich sogar bei einer Mediatorin: „sie müssen kein Buddhist sein, um Achtsamkeit zu praktizieren…“ Natürlich ist das richtig. Nur es zeigt, dass es sogar werbewirksam sein kann, den Ursprung zu verleugnen oder „kosmischen Ausgleich“ möglichst gering zu halten.

Der inflationäre Umgang mit den wertvollen Essenzen, birgt die Gefahr Überdruss zu erzeugen, statt sie zu bewahren wie einen Schatz. In der jetzigen Zeit, ist besonders wichtig geworden, dass es Menschen dazu verhilft, Konflikte zu vermeiden, den Körper und Geist für sich selbst und nicht für Zertifikate und Ansehen zu schulen. Für eine neue Lebensqualität, frei von zu viel Abhängigkeiten und Konzepten. Es ist Zeit für Bedürfnis- und Bewusstseinswandel, der anstelle theoretischen Wissens, durch Handeln ein besseres Miteinander erzeugt.

Dazu gehört besonders, einmal einen Schritt zurückzugehen, sich zurückzunehmen, Qualität zu erzeugen, entschleunigen und Lehrer oder Ursprünge einer Sache, Kultur oder Wissen zu ehren. Authenzität und Qualität sollten die Auswahlkriterien für den Lehrer sein, um dann frei davon die Schwingen auszubreiten. Wer also Wahrhaftes lernen möchte, sollte wahrhaftige Menschen wählen, von den er es lernen kann. Es macht uns menschlich nicht unfehlbar zu sein, das ist die wahre Vollkommenheit. Die Bereitschaft sollte da sein, dass es anstrengend und mit viel Disziplin (die Freude sein kann), verbunden ist.

Andere Achtsamkeit zu lehren und in der eigenen Lebensweise dies nicht zu intrigieren, ist unglaubwürdig. Vermehrung, unzählige Konzepte und Veröffentlichungen führen zur Erhöhung des eigenen Ego und noch mehr Abhängigkeiten, nur nicht zur Achtsamkeit und Mitgefühl mit allen Ressourcen, Menschen, Lebewesen.

Wenn wir bereit sind uns von Ruhm, Sichtbarkeit, Vermarktung, ständiger Ressourcenvermehrung, Schnelligkeit zu trennen oder wohlwissentlich zu reduzieren, hat die Zeit für Achtsamkeit und Mitgefühl wirklich begonnen. Und das findet in uns, im Fühlen und Spüren und nicht auf einer Buchseite oder hochwissenschaftlich statt.

Das sind die Gedanken, Wünsche die ich dazu teilen möchte und selbstverständlich bin auch ich jeden Tag am dazulernen und mich selbst verbessern. Das Lernen ist mein Weggefährte…

About the author: Sandra Jahnke

Organisationsentwicklerin, Coach, Speakerin, Yoga-/ Meditationslehrerin